Statusmeldung

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Aktuelles vom Gesamtausschuss Diakonie

szenisch

Stellungnahme zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht

Im Dezember hat der Bundestag für den Gesundheits- und Pflegebereich eine einrichtungsbezogene Impfpflicht beschlossen. Mittlerweile hat das Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales klargestellt, dass diese nicht für die Jugendhilfe gilt, aber es betrifft die gesamte Eingliederungshilfe und somit zum Beispiel auch die Sozialpsychiatrischen Dienste. Das Ziel ist, die Zahl und die Schwere von Covid-19-Erkrankungen in den Einrichtungen zu reduzieren und Todesfälle zu vermeiden.

Diese auf den ersten Blick begrüßenswerte Maßnahme stellt sich bei näherer Betrachtung und heranrückendem Stichtag als sehr problematisch heraus. In der Branche rechnet man mit ca. 10% Ungeimpfter. Das deckt sich in etwa mit unseren Beobachtungen, an einer Stelle mehr, an anderer Stelle weniger. Es ist nicht damit zu rechnen, dass sich noch ein wesentlicher Teil der Kolleg*innen impfen lässt. Dies führt jetzt aktuell zu folgenden Situationen:

In den Arbeitsbereichen wächst die Spannung vor der Zeit, wenn einzelne Kolleg*innen aus den Teams plötzlich fehlen. Angekündigte Kompensationen wie verschieben, umverteilen, Standards senken und die Suche nach befristeten Vertretungskräften werden an vielen Stellen nicht reichen. Mittlerweile hören wir von Kolleg*innen, die mit Urlaubssperren sowie 12-Stunden-Schichten konfrontiert werden. Am Ende laufen die verbliebenen Mitarbeitenden in die Überlastung.

Kolleg*innen kündigen. Sie nehmen die Impfpflicht zum Anlass, die Entscheidung zum Ausstieg aus der Pflege jetzt zu treffen, die sie ansonsten sehr viel später oder nie getroffen hätten. Wir befürchten eine weitere Abwanderung aus den Pflegeberufen, die schon seit Jahren von erheblichem Fachkräftemangel sowie fehlendem Nachwuchs gekennzeichnet sind.

Und man muss auch fragen, wie es den betroffenen Mitarbeiter*innen geht. Im letzten Jahr noch gepriesen und beklatscht, sich am Bett angesteckt, genesen aber gleich wieder den Status verloren und jetzt vom Hof gejagt. Das ist das Gefühl der Menschen, wie wir es in den Gesprächen mit ihnen wahrnehmen. Ungeimpfte haben oftmals jahre- und jahrzehntelang Einsatz gezeigt. Sie nehmen die Hygieneregeln ernst. Aus sehr persönlichen Gründen können sie sich nicht für eine Impfung entscheiden, ohne dabei gleich absurden Theorien nachzuhängen. Sie fühlen sich verfolgt und vor die Tür gesetzt. Und sie werden uns fehlen.

Impfungen sind notwendig, damit der neue Erreger seinen Schrecken verliert. Doch bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht wurde nicht zu Ende gedacht, was sie bewirkt. Dass nämlich die Versorgung der Betroffenen zur Disposition steht, weil Stationen wegen personeller Unterbesetzung schließen werden müssen. Oder dass der Mindeststandard „satt und sauber“ nur noch bei Missachtung arbeitsrechtlicher Grenzen gewährleistet sein wird. Noch viele weitere Mitarbeitende, die solche Arbeitsverhältnisse nicht mehr länger ertragen, werden uns verlassen. Im Ergebnis ist zu befürchten, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht den betreuten Menschen mehr schadet als nützt.

Das Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege schreibt („Umsetzung und Vollzug des neuen § 20a IfSG“ vom 21.12.2021): „Die Versorgung der in den Einrichtungen […] betreuten […] Personen muss aber in jedem Fall noch gewährleistet bleiben.“ Wenn man das ernst nimmt, darf in kaum einem Fall ein Tätigkeitsverbot ausgesprochen werden, so dünn ist die Personaldecke in der Pflege jetzt schon.

Wir sprechen uns daher dafür aus, die einrichtungsbezogene Impfpflicht auszusetzen und die Einführung der allgemeinen Impfpflicht abzuwarten. Darüber hinaus bedarf es einer deutlich besseren Personalausstattung in den Sozial- und Gesundheitsberufen, um diese Berufsfelder attraktiver zu machen sowie eine gute Pflege und Betreuung zukünftig zu gewährleisten. Hier ist die Politik dringend gefordert.   

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